Skikurse der Louis-Braille-Schule

Schon seit vielen Jahren - beinahe Jahrzehnten - gibt es "den Skikurs" an der Louis-Braille-Schule in Düren. So sehr wie sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Schülerschaft verändert hat, so heterogen die Klassen und Lerngruppen und so komplex zum Teil die Formen der Beeinträchtigungen geworden sind, so sehr hat auch die Idee des Skikurses einen Wandel durchlaufen. "Das" Konzept gibt es so nicht (mehr), denn heute ist die Struktur und Organisation des Skikurses flexibler denn je.

Wie auch bei sehenden und nichtbehinderten Jugendlichen, so stehen auch bei "unseren" Jugendlichen Gruppen-, Natur- und Bewegungserlebnisse während eines Schulskikurses im Vordergrund. Vor allem die Bewegungs- und Umwelterfahrungen sind als Begründung für einen Schulskikurs für sehgeschädigte Jugendliche mit und ohne zusätzliche Beeinträchtigungen zu erwähnen.
Dabei geht es insbesondere um das Kennenlernen einer neuen Sportart mit ihrem Anforderungsprofil und dazugehörigem Material, das Ausprobieren und Erlernen neuer Bewegungsmuster (z.B. gleiten und rutschen) und das Erleben neuer Bewegungserfahrungen, verbunden mit neuen und ungewohnten Umwelterfahrungen im Schnee.
Für Menschen mit einer Sehschädigung sind die Möglichkeiten Sport zu treiben und die Auswahl an Sportarten begrenzt. Das Skifahren scheint auf den ersten Blick eine sehr visuell ausgerichtete Sportart zu sein, kann aber für Menschen mit einer Sehschädigung und/oder körperlich-motorischen Beeinträchtigungen zu einer der unabhängigsten Sportarten überhaupt werden. Deshalb spielt hier noch eine weitere ganz wichtige Lerngelegenheit hinein: Skifahren als Sportart, die auch Sehende betreiben, enthält eine integrative Komponente. Die neu gewonnene Autonomie führt außerdem zur Stärkung der Selbstsicherheit und des Selbstvertrauens.
Verbunden ist das Skifahren wie bei Sehenden mit einem in der Regel hohen Spaßfaktor. Die Begeisterung der Teilnehmer war und ist Begründung und Bestätigung zugleich für ein Vorhaben wie den Skikurs.

Da klassenweise zum Skikurs gefahren wird, nimmt der Klassenlehrer/das Klassenlehrerteam teil und ein bis zwei Lehrer als Organisatoren. Ansonsten wird das Begleiterteam ergänzt durch schulisches Personal: z.B. Teilnehmer des Freiwilligen sozialen Jahres und des Bundesfreiwilligendienst, Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Erzieher des an die Schule angeschlossenen Internates. Die Zusammenstellung des Teams hängt einerseits von der personellen Situation in der Schule und dem Engagement des Kollegiums ab und orientiert sich andererseits an der teilweise recht hohen benötigten Begleiterzahl und der Form des Unterstützungsbedarfes. Skifahrerische Grundkenntnisse werden dabei natürlich vorausgesetzt. Geballte Skilehrerkompetenz erhalten wir durch die mitfahrenden Skilehrer des Westdeutschen Skiverbandes, mit dem schon seit Jahren eine Kooperation besteht.
Hin und wieder unterstützen uns auch Privatpersonen ohne direkten schulischen Bezug und begleiten den Skikurs - so viel privates und vor allem nicht selbstverständliches Engagement soll auch hier nicht unerwähnt bleiben. Was die Schüler betrifft, so gibt es nach wie vor eine altersmäßige Einschränkung, die sich ursprünglich mit einem hohen Maß an Selbstständigkeit und einem sicheren Orientierungs- und Mobilitätsverhalten begründete. Ab der Klassenstufe 7/8 besteht aktuell die Möglichkeit am Skikurs teilzunehmen.
Mobilität, d.h. die motorischen Fähigkeiten für Skilauf mit normalem Skimaterial waren bisher ein weiteres Kriterium für die Teilnahme. Durch eine Kooperation mit dem Behindertensportverband NRW haben wir 2011 erstmals das Vorhaben umsetzen können, auch Schülerinnen und Schüler zum Skikurs mitzunehmen, die aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität nur spezielle Skigeräte wie Monoski, Biski und Skipiloten nutzen können.
So hat sich im Laufe der Jahre der Teilnehmerkreis von "nur" sehgeschädigten Schülern des Hauptschulbereichs zu Schülern mit Sehschädigung und zusätzlichem Förderbedarf im Lernen oder der geistigen Entwicklung und mit Förderbedarf in der körperlich-motorischen Entwicklung geöffnet. Die Teilnahme am Skikurs ist inzwischen freiwillig und nicht etwa stufengebunden und verpflichtend, wie man es etwa von Regelschulen kennt. Es ist durchaus möglich (ein wenig sogar gewünscht), dass Klassen mehrfach teilnehmen können.

In den vergangenen mindestens 10 Jahren war der Wintersportort Winterberg-Neuastenberg und seine Umgebung unser ganz eigenes "Skikarussell". Zu erwähnen sind hier beispielsweise das Postwiesen-Skigebiet, der Sahnehang, das Skilanglaufstadion Langewiese, Loipen an den Lenneplätzen, das Skistadion Bremberg und Westfeld.
Bisher hatten wir immer (!) Schnee, wenngleich er uns auch mal unter den Skiern weggeschmolzen ist. Einfache "übersichtliche" und kurze Pisten und eine Vielzahl an anfängergeeigneten Loipen und Rundläufen ermöglichen für unsere Bedürfnisse optimale Verhältnisse. Zudem ist die Anreise ins Sauerland kurz und somit für die Schüler wenig strapaziös.
Langjährige Kooperationen mit dem Skiverleih "Hochsauerlandsport" an der Postwiese und den Betreibern der Liftanlagen, z.B. der Postwiesenliftgesellschaft und der Skistadien vor Ort, die unseren Skikurs unterstützen, ergänzen die Liste der Vorteile des Sauerlandes für den Skikurs.

Ursprünglich orientierte sich die Vorgehensweise des Skikurses am Marburger Modell, der von der Carl-Strehl-Schule in Marburg praktizierten Schulskikurse. In der Grundstruktur verlaufen unsere Schulskikurse immer noch ähnlich:
Zunächst wird mit und auf Langlaufskiern geübt, dann geht's auf die Alpinski. So dient die Methodik des Langlaufens als Vorbereitung zum Alpinskifahren. Vorweg und zwischendurch werden immer wieder Sequenzen zur Schneegewöhnung durchgeführt, die vor allem eine Sicherheit gebende Funktion haben.
Alle Schülerinnen und Schüler bekommen Gelegenheit, das Skifahren als naturverbundene Freizeitsportart kennen zu lernen; sie werden die Möglichkeit bekommen, den Skilanglauf praktisch üben zu können. Bei entsprechenden Bedingungen wird alpiner Skilauf angeboten. Für die Jugendlichen, denen das Langlaufen nicht möglich ist, wird für den gesamten Zeitraum die Gelegenheit zum Alpinskifahren mit Mono- oder Biski bzw. Skipiloten eingerichtet. Je nach Schülerkonstellation und Geräten wird beim Fahren bzw. den Einheiten im Schnee nach dem Rotationsprinzip vorgegangen. Den Fahrenden mit ihren Begleitern stehen aber auch hier einige Übungen, z.B. das Liften, An- und Abgurten oder die Sitzschalenanpassung bevor. Jeder Teilnehmer wird von skierfahrenen Erwachsenen einzeln unterrichtet, für die Logistik und Betreuung der sehgeschädigten Teilnehmer mit körperlichen Beeinträchtigungen im Alpinskibereich sind teilweise sogar zwei Begleiter vorgesehen. Alle können also ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit entsprechend gefördert und gefordert werden. Letztlich wird aber für und mit jedem Schüler individuell im Team Tag für Tag entschieden, welche Herausforderungen im Schnee angegangen werden.
Hauptaugenmerk liegt auf den positiven Erfahrungen im und mit Schnee. Aus diesem Grund gibt es auch normalerweise nur noch eine Skieinheit am Tag, da die physische und z.T. auch psychische Belastbarkeit der Jugendlichen durch die vorliegenden Mehrfachbehinderungen häufig eingeschränkt ist. Nachmittags gibt es die Möglichkeit zu rodeln oder zum Schneemannbau; das Skimuseum, Winterberg, die Skisprungschanze, die Bobbahn können besucht werden. Auch Kegeln und Schwimmen sind eine beliebte Alternative zum anstrengenden Vormittagsprogramm. Ergänzende spielerischen Ski-Übungen oder kleine Torballturniere in der Turnhalle sind ebenso denkbar.

Auch die Länge des Skikurses variierte in der Vergangenheit. Während ursprünglich 10 Tage vorgesehen waren und auch mal nur 5 Tage gefahren wurde, so findet er aktuell 8 Tage lang im Januar eines jeden Jahres statt. Durch die Beschränkung auf nur eine mitfahrende Klasse und die notwendige 1:1-Betreuung (mindestens auf der Piste und der Loipe) fahren normalerweise nicht mehr als insgesamt 20 Personen mit.
Unser "Stützpunkt" ist seit 2011 das "Haus des Behindertensports" des Behindertensportverbandes NRW in Langewiese, welches mit seiner Lage, seiner Größe und Aufteilung unseren Bedürfnissen sehr entgegenkommt. Für die Mobilität vor Ort sorgen entweder angemietete Kleinbusse oder beauftragte Taxi-/Busunternehmen. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Transporte werden im Übrigen größtenteils durch großzügige finanzielle Hilfen des Deutschen Blindenhilfswerks und einer Sportmarketingfirma aus Düren gedeckt.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Engagement der Mitfahrenden und die Unterstützung durch Sponsoren das Fundament des Skikurses bilden. Ohne Hilfe "von außen" - nur durch Schülerbeiträge wäre ein für unsere Schülerschaft sinnvoller Skikurs nicht zu organisieren bzw. zu finanzieren. Jede noch so kleine helfende Geste (die wir glücklicherweise durch viele Leute erhalten), jede finanzielle Unterstützung ermöglicht es erst, ein solches Vorhaben in der beschriebenen Weise umzusetzen.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass mit dem Projekt "Skikurs" neue Perspektiven eröffnet werden können und sollen. Das einstige Motto, den Jugendlichen unvergessliche (Schul-)Erlebnisse und -erfahrungen zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen auch im Schnee "standfester" zu werden, hat nichts an Aktualität verloren.



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